Pressemitteilung der Stiftung Bayerische Gedenkstätten 2023/10
München, 22.03.2023
Gemeinsame Stellungnahme des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus, der Stiftung Bayerische Gedenkstätten und der KZ-Gedenkstätten Dachau und Flossenbürg bezüglich der Anträge auf Bundesfördermittel für die KZ-Gedenkstätten Dachau und Flossenbürg
Die Stiftung Bayerische Gedenkstätten hat in Dachau und in Flossenbürg im Rahmen des 2020 vom Bayerischen Ministerrat beschlossenen „Gesamtkonzepts Erinnerungskultur“ zwei sehr innovative Projekte entwickelt. In Dachau sollen die beiden rekonstruierten denkmalgeschützten Häftlingsbaracken neugestaltet und für eine Ausstellung und Seminarräume genutzt werden. In Flossenbürg soll das historische DESt-Gebäude ertüchtigt werden, um Räume für Wechselausstellungen, Kunstprojekte und co-working-spaces zu schaffen. Die hierfür ausgearbeiteten Planungen mit geschätzten Gesamtkosten von ca. 40 Mio. Euro wurden im Juli 2022 vom Bayerischen Kabinett mit dem Ziel beschlossen, dass auf eine hälftige Kofinanzierung durch den Bund hinzuwirken sei. Bayern hat seinen Anteil an der Finanzierung sichergestellt. Im Raum steht also eine Förderung aus Bundesmitteln in Höhe von 20 Mio. Euro, nicht die in der aktuellen Berichterstattung zu diesem Thema in den Raum gestellten 31,5 Mio. Euro.
Die entsprechenden Förderanträge wurden bei der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien (BKM) fristgerecht zum 1.9.2022 eingereicht.
Kultusminister Professor Piazolo zu der mit Schreiben vom 16.3.2023 übermittelten Ablehnung dieser Anträge: „Es ist für uns nicht nachvollziehbar, dass die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien, Claudia Roth, eine Bewilligung der innovativen, für die KZ-Gedenkstätten Dachau und Flossenbürg gestellten Anträge durch die Gedenkstättenförderung des Bundes abgelehnt hat. Die Begründung für die Ablehnung ist auch inadäquat. Damit wird der Bund seiner historischen Verantwortung für diese wichtigen ‚Opferorte‘ nicht gerecht.“
Stiftungsdirektor Freller kommentiert diesen Vorgang: „Die Absage und die mit ihr verbundenen Vorwürfe stellen in letzter Konsequenz eine Herabwürdigung der Arbeit der damit befassten Mitarbeitenden der Bayerischen KZ-Gedenkstätten und des Bayerischen Kultusministeriums dar.“
Auch die unmittelbar betroffene Leiterin der KZ-Gedenkstätte Dachau, Dr. Hammermann, kann die Absage nicht nachvollziehen: „Die Gedenkstätte ist enttäuscht, denn für diesen Antrag ist viel gearbeitet worden. Auf der Basis von Besucherbefragungen konnte ein innovatives Konzept erstellt werden, das in den rekonstruierten Häftlingsbaracken eine Ausstellung vorsieht, die sich zum einen auf die Entstehungsgeschichte der rekonstruierten Baracken und damit die Gründungsgeschichte der KZ-Gedenkstätte Dachau bezieht und zum anderen die Lebensbedingungen der Häftlinge und die Gewaltgeschichte in den Baracken in den Blick nimmt.“
Bis zur ablehnenden Antwort, die uns am 16. März 2023, also knapp sieben Monate nach der Antragstellung, erreichte, gab es keinerlei weitere Informationen seitens der BKM. Generell beschränkten sich die Hinweise aus dem BKM an uns auf eine Mail vom Februar 2020. Dem hierin dargelegten Hinweis zum Förderprocedere kamen die Stiftung Bayerische Gedenkstätten und das Staatsministerium für Unterricht und Kultus nach. Von den nun vom BKM in Rede gestellten „wiederholten mündlichen und schriftlichen“ Hinweisen kann keine Rede sein.
Wir möchten ausdrücklich betonen, dass die durch den Bund in der Begründung dargestellten und mittlerweile auch in der Öffentlichkeit diskutierten Hinweise für uns nicht nachvollziehbar sind und zum Teil nicht der Wahrheit entsprechen.
Wir möchten in aller Deutlichkeit sagen, dass Bayern den Bund von Beginn an in seine Pläne eingebunden und diese offen und transparent kommuniziert hat. Solch eine Kommunikation hätten wir uns auch vom Bund gewünscht. Gelegenheit hierfür hätte es zur Genüge gegeben, denn nicht zuletzt im Rahmen der jährlichen Stiftungsratssitzungen war das BKM in die Projekte und ihre Planungen eingebunden; das BKM hat sich hierbei zu keinem Zeitpunkt zu den jeweils vorgestellten Vorhaben des Freistaats negativ geäußert. Stiftungsdirektor Freller: „Ich frage mich, weshalb das BKM nicht in der Lage war, das Bayerische Kultusministerium als Antragsteller oder die Stiftung Bayerische Gedenkstätten als Konzeptersteller über eventuelle Schwierigkeiten mit dem Antrag zu informieren - in den sieben Monaten seit Antragstellung - beziehungsweise in den fünf Monaten seit der Entscheidungsfindung des Expertengremiums. Ich bedauere, dass Staatsministerin Roth auf meine mehrfache Bitte um ein Gespräch zu diesem Thema bislang nicht reagiert hat.“
Auch der vom BKM nun vorgebrachte Hinweis, dass im Rahmen der bis dato zur Verfügung stehenden Fördergelder des Bundes für Gedenkstättenkonzeption keine Baumaßnahmen gefördert werden können, ist mit Blick auf die eigens vom Bund veröffentlichten Förderrichtlinien nicht nachvollziehbar: https://www.bundesregierung.de/resource/blob/974430/414660/8c1a82e549ea6f5552536a253868ebcb/2008-06-18-fortschreibung-gedenkstaettenkonzepion-barrierefrei-data.pdf?download=1
Hierbei verwundert auch, dass aus den vom Bund online zur Verfügung gestellten Anlagen ebenso klar hervorgeht, dass mit dem Fördertopf in der Vergangenheit bereits Bauprojekte gefördert wurden (z. B. 2022: Erhalt und Ausbau des Schlosses Grafeneck für die Erinnerungsarbeit im Bereich NS-Krankenmord; Errichtung der Gedenkstätte KZ-Sachsenburg). Im Übrigen fördert die BKM andernorts, z.B. im Bereich des ehem. Reichsparteitagsgeländes in Nürnberg Baumaßnahmen in weit erheblicherem Umfang. So werden alleine für die Neugestaltung von Zeppelintribüne und Zeppelinfeld vom BKM 42,5 Mio. Euro bereitgestellt – das Doppelte des von uns für die Gedenkstätten geforderten Beitrags. Hierbei handelt es sich hauptsächlich um Baumaßnahmen. Ähnliches trifft auf die Förderung der baulichen und inhaltlichen Neugestaltung des Dokumentationszentrums Reichsparteitagsgelände in Nürnberg zu. Hierzu bemerkt der Leiter der Gedenkstätte Flossenbürg, Professor Skriebeleit: „Es wurden keine Fehler bei der Antragstellung gemacht. Die Höhe des Baukostenanteils war bislang kein Kriterium für die fachliche Qualifizierung eines Antrags an das BKM.“
Gerade die von den Gedenkstätten in Dachau und Flossenbürg vorgelegten Projekte erfüllen die vom Bund definierten Förderkriterien in besonderem Maße. Diese sind:
• der nationale/internationale Stellenwert des Ortes
• die Authentizität des Ortes,
• die Exemplarität für einen Aspekt der Verfolgungsgeschichte der NS-Terrorherrschaft oder der SED-Diktatur
• die Qualität des Projektkonzepts
• die Kooperation von Einrichtungen.
Die Gedenkstätten in Dachau und Flossenbürg gehören zu den zentralen erinnerungskulturellen Orten in Bayern und sind national wie international hoch geachtete Gedenkorte.
Der Freistaat geht daher davon aus, dass auch der Bund sich seiner historischen Verantwortung für den Erhalt und die Weiterentwicklung dieser Gedenkstätten bewusst ist und endlich eine umfassende Gedenkstättenkonzeption, wie sie für Bayern seit 2020 existiert, vorlegt.
Abschließend möchten wir betonen: Auch wenn wir die, hoffentlich geringen, Verzögerungen, die durch die mangelnde Kommunikation des Bundes verursacht worden sind, sehr bedauern, sehen wir doch positiv in die Zukunft. Die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien, Claudia Roth, hat uns (wenn auch erst Mitte März 2023) darauf hingewiesen, dass mit dem 2022 neu aufgelegten Programm „KulturInvest“ unter Umständen zeitnah alternative Fördermöglichkeiten zur Verfügung stehen. Die Einschätzung von Professor Skriebeleit hierzu: „Dem BKM ist erst sehr spät bewusst geworden, dass die finanzielle Ausstattung der Gedenkstättenförderung des Bundes nicht ausreichend ist. Daher bietet ja das BKM erstmalig auch KulturInvest an. Dieses Instrument ist hinsichtlich der Gedenkstättenförderung völlig neu.“
Der Freistaat wird seine Anträge nun zeitnah diesbezüglich umarbeiten, wenngleich wir auch hier auf die angekündigte baldige Bekanntgabe von Konditionen und Inhalten des besagten Programms durch den Bund warten. Die Projektanträge für Dachau und Flossenbürg werden nun in „bauliche“ und „inhaltliche“ Komponenten aufgeteilt. Erstere werden in „KulturInvest“ neu beantragt, die inhaltlich auf Vermittlung fokussierten neu für eine Förderung nach der Gedenkstättenkonzeption vorgelegt. Dazu stellt Kultusminister Professor Piazolo fest: „Wir hoffen, dass der Bund nach dieser formellen Teilung dann in beiden Förderprogrammen seiner historischen Verantwortung nachkommt und die Projekte in Dachau und Flossenbürg unterstützt.“
Über die Stiftung Bayerische Gedenkstätten
Die Stiftung Bayerische Gedenkstätten ist eine Stiftung des öffentlichen Rechts mit Sitz in München. Sie wurde durch den Freistaat Bayern zum 1. Januar 2003 errichtet. Die Stiftung ist Trägerin der KZ-Gedenkstätte Dachau und der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg, die zu den Gedenkstätten in Deutschland von nationaler und internationaler Bedeutung gehören, sowie weiterer Gedenkstätten im Freistaat. Zweck der Stiftung ist es, die Gedenkstätten als Zeugen für die Verbrechen des Nationalsozialismus, als Orte der Erinnerung an die Leiden der Opfer und als Lernorte für künftige Generationen zu erhalten und zu gestalten, die darauf bezogene geschichtliche Forschung zu unterstützen und dazu beizutragen, dass das Wissen über das historische Geschehen im Bewusstsein der Menschen wachgehalten und weitergetragen wird.
Kontakt Stiftung:
Karl Freller
Direktor der Stiftung Bayer. Gedenkstätten (und I. Vizepräsident des Bayer. Landtages)
Alexandra Perry
Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit
Praterinsel 2
80538 München
Telefon: 089/2158-675-83