Bis zur Errichtung des Konzentrationslagers ist Flossenbürg nur ein kleines Dorf im Oberpfälzer Wald. Dank seiner Granitvorkommen werden dort ab Ende des 19. Jahrhunderts zahlreiche Steinbrüche in Betrieb genommen.
Flossenbürg entwickelt sich zu einem Arbeiterdorf. Gleichzeitig wird der Ort als Ausflugsziel entdeckt. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten werden Granit und Burg zu den zentralen Standortfaktoren für Flossenbürg.
Die Arbeit der Steinmetze prägt die sozialen Verhältnisse im Ort und bestimmt Kultur und Selbstverständnis seiner Einwohner.
Ausflügler besuchen Flossenbürg wegen seiner mittelalterlichen Burgruine. Vermehrt werden auch nationalistische und völkische Gruppen angezogen. Sie stilisieren die grenznahe Ruine zu einer Trutzburg gegen die »slawischen Völker«.
Mit den staatlichen Bauprogrammen der Nationalsozialisten steigt die Nachfrage nach Granit enorm. Die nationalsozialistische Machtübernahme wird daher von Steinbruchbesitzern und Arbeitern gleichermaßen begrüßt.
Flossenbürger Steinarbeiter auf dem Burgberg, 1896
Heuernte in Flossenbürg, um 1920
Ankündigungstafel der NSDAP für ihre Ortsgliederungen, 1933
Die Gründung des Konzentrationslagers Flossenbürg im Mai 1938 ist Teil einer Funktionserweiterung des gesamten KZ-Systems durch die SS. Die Lager sollen nicht mehr nur dazu dienen, politische Gegner des Nationalsozialismus zu internieren und zu terrorisieren.
Die SS will nun auch wirtschaftlichen Profit aus der Häftlingsarbeit ziehen. Gefangene sollen in SS-eigenen Wirtschaftsbetrieben bei der Produktion von Baustoffen gezielt ausgebeutet werden. Zu diesem Zweck gründet die SS neue Lager und weist immer mehr Menschen in diese ein.
1936/37 wird mit dem Bau von neuen Konzentrationslagern begonnen. Es entstehen die Lager Sachsenhausen und Buchenwald. Die wirtschaftlichen Interessen der SS spielen bei der Wahl neuer Standorte eine immer größere Rolle. Der Ort Flossenbürg ist für sie aufgrund der großen Granitvorkommen interessant.
Die Entscheidung für den neuen Standort fällt im März 1938. Ende April treffen die ersten SS-Wachen ein. Am 3. Mai erreicht der erste Transport mit 100 Häftlingen aus dem KZ Dachau die Baustelle. Zum Jahresende befinden sich bereits 1.500 Häftlinge im Lager.
Blick von der Burg auf das künftige Lagergelände, Mitte der 1930er Jahre (KZ-Gedenkstätte Flossenbürg)
Postkarte aus Flossenbürg, 1938
Artikel aus der Zeitung »Bayerische Ostmark«, 23. Juni 1938
Am 23. Juni 1938 erscheint die erste Pressemeldung, die auf das Konzentrationslager Flossenbürg hinweist. In einer kurzen Notiz berichtet der Autor über die Beteiligung der Lager-SS an der Sonnwendfeier in Flossenbürg
Lagergelände des Konzentrationslagers Flossenbürg, 1940
Die Zahl der Gefangenen im KZ Flossenbürg steigt kontinuierlich an. Mit der Einweisung neuer Verfolgtengruppen verändert sich die Zusammensetzung der Zwangsgemeinschaft der Häftlinge grundlegend.
Zwei Jahre nach der Gründung stehen die zentralen Gebäude des Lagers. Ein SS-Unternehmen, die Deutschen Erd- und Steinwerke (DESt), lässt unter rücksichtsloser Ausbeutung der Gefangenen Granit fördern. Seit der Errichtung des Lagers sind bereits über 300 Häftlinge gestorben.
Die ersten Häftlinge im Lager sind Deutsche. Sie sind Opfer der Verhaftungsaktionen gegen so genannte »Kriminelle« und »Asoziale«.
Ende 1938 kommen die ersten politischen Häftlinge hinzu. Nach Kriegsbeginn entwickelt sich Flossenbürg zu einem KZ für Menschen aus allen besetzten Ländern Europas. 1940 wird der erste jüdische Häftling registriert.
Zu diesem Zeitpunkt ist die erste Aufbaustufe des Lagers weitgehend abgeschlossen, der Steinbruch hat seinen Betrieb aufgenommen. Über 2.600 Häftlinge befinden sich im Lager, die Todesrate steigt. Zur Leichenbeseitigung lässt die SS ein lagereigenes Krematorium errichten.
Das Konzentrationslager ist für die Häftlinge permanent ein lebensbedrohlicher Ort. Der Alltag im Lager ist unmenschlich. Die Gefangenen werden gedemütigt und unterdrückt. Sie müssen bis zur Erschöpfung arbeiten. Viele werden zu Tode geschunden.
Die SS errichtet im Lager eine Ordnung des Terrors und der Gewalt. Sie versucht, sich die politischen, nationalen, sozialen und kulturellen Gegensätze zwischen den Häftlingen zunutze zu machen.
Etwa 84.000 Männer und 16.000 Frauen aus über 30 Ländern sind zwischen 1938 und 1945 im KZ Flossenbürg und seinen Außenlagern inhaftiert.
Jeder Gefangene muss Häftlingskleidung tragen, die mit einer Nummer und einem farbigen Winkel versehen ist.
Die Lebensbedingungen der Häftlinge verschlechtern sich im Laufe des Krieges drastisch. Die Zahl der Unfälle, Kranken und Toten steigt an. Zunehmend bestimmt die Arbeitsfähigkeit die Überlebenschancen eines Häftlings. Große Häftlingstransporte erreichen ab Ende 1943 Flossenbürg. Das Hauptlager ist überfüllt. Viele Häftlinge werden in Außenlager transportiert. Für die meisten Häftlinge ist die bestimmende Frage: »Wie überlebe ich den nächsten Tag?«
Essensappell im Steinbruch, SS-Foto 1942
Tausende KZ-Häftlinge werden gezwungen, im Flossenbürger Steinbruch der Deutschen Erd- und Steinwerke (DESt) zu arbeiten. Ohne Sicherheitsvorkehrungen, schlecht bekleidet und bei jedem Wetter müssen sie Erde abtragen, Granitblöcke absprengen, Loren schieben und Steine schleppen. Unfälle sind an der Tagesordnung. Kälte, harte Arbeit, völlig unzureichende Ernährung und die willkürliche Gewalt von SS-Männern und Kapos führen zum Tod vieler Häftlinge.
Ein Arbeitstag im Steinbruch dauert zwölf Stunden, nur unterbrochen von einer kurzen Pause, in der eine dünne Suppe ausgegeben wird. Die SS zwingt Häftlinge, stundenlang im Kreis zu gehen und dabei Steine zu schleppen.
Nur wenige überleben diese Strafkommandos. Nach Arbeitsschluss müssen Häftlinge die Toten zurück ins Lager tragen.
Der KZ-Steinbruch ist der größte Wirtschaftsbetrieb in Flossenbürg: Mitte 1939 arbeiten dort täglich etwa 850 KZ-Häftlinge, ihre Zahl steigt bis 1942 auf fast 2.000 an. Bis zu 60 zivile Beschäftigte, Verwaltungsangestellte, Steinmetze, Fahrer und Lehrlinge sind bei der DESt beschäftigt. Viele von ihnen haben regelmäßig Kontakt zu den Häftlingen.
Die Verwaltung und Bewachung der Konzentrationslager ist eine zentrale Aufgabe der SS (Schutzstaffel). Hierfür werden Angehörige der SS-Totenkopfverbände eingesetzt. Die SS versteht sich als ideologischer Orden und rassische Elite.
Der Reichsführer SS Heinrich Himmler entwickelt die SS zu einer komplexen Organisation. Ihre Aufgaben reichen von Siedlungspolitik bis zur »Gegnerbekämpfung« und systematischen Ermordung von Angehörigen so genannter »minderwertiger Rassen«. Zudem verfügt die SS über eigene Wirtschaftsunternehmen.
Die Totenkopfverbände in einem Konzentrationslager gliedern sich in Kommandanturstab und Wachsturmbann. An der Spitze des Lagers steht der Kommandant. Er entscheidet zusammen mit ihm untergeordneten Abteilungen über das Schicksal der Häftlinge.
Die SS-Mannschaften sind für die Bewachung der Gefangenen zuständig.
Im Kommandanturstab des KZ Flossenbürg arbeiten etwa 90 SS-Angehörige. Die Wachmannschaften erreichen bis Frühjahr 1940 eine Stärke von etwa 300 Mann. Diese wächst mit dem Ausbau der Außenlager auf etwa 2.500 Männer und 500 Frauen im Jahr 1945 an. Nach Kriegsbeginn werden viele jüngere SS-Männer an die Front versetzt. Die SS-Führung verpflichtet nun ältere Männer, Luftwaffensoldaten, Angehörige anderer Nationen und Frauen zum Einsatz in den Konzentrationslagern.
Nach dem Krieg erhalten die meisten SS-Angehörigen des KZ Flossenbürg für ihre Verbrechen nur geringfügige Strafen.
Im Konzentrationslager Flossenbürg sterben von Anfang an Häftlinge. Sie verhungern, erfrieren und werden willkürlich ermordet. Nach Fluchtversuchen oder angeblicher Sabotage werden Gefangene zur Abschreckung auf dem Appellplatz erhängt. Seit Februar 1941 ermordet die SS in großem Umfang Häftlinge bestimmter Gruppen.
Bruno Furch: Heiliger Abend 1944 (Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes, Wien)
Die SS versucht die Massentötungen im Geheimen durchzuführen. Trotzdem bleiben sie nicht unbemerkt. Die Häftlinge sehen Exekutionskommandos der SS im Lager. Mitgefangene verschwinden spurlos.
Leichenträger- und Krematoriumskommandos müssen die sterblichen Überreste der Ermordeten beseitigen. Häftlingsschreiber streichen die Namen aus Listen.
In gezielten Aktionen ermordet die SS polnische Gefangene, ausländische Zwangsarbeiter, sowjetische Kriegsgefangene und kranke, alte oder behinderte KZ-Häftlinge. Kurz vor Kriegsende sind viele Widerstandskämpfer unter den Opfern. Die SS des KZ Flossenbürg ist an mindestens 2.500 systematischen Tötungen beteiligt.
Der vielfach ausgezeichnete Radsportler Eugen Plappert, um 1930
Der 55-jährige Eugen Plappert ist seit 1938 Häftling im KZ Flossenbürg. Wegen seines Alters und eines Nervenleidens bringt ihn die SS zusammen mit über 200 weiteren Gefangenen nach Bernburg. Ihm und den anderen selektierten Häftlingen wird vorgetäuscht, sie kämen zur Erholung auf ein Landgut. Am 12. Mai 1942 wird er in Bernburg mit Gas ermordet.
Wie andere Hauptlager wird das KZ Flossenbürg ab 1942 zur Zentrale eines weit verzweigten Lagersystems. Seine annähernd 80 Außenlager erstrecken sich von Würzburg bis Prag und vom nördlichen Sachsen bis nach Niederbayern. In 27 Außenlagern befinden sich weibliche Häftlinge. Die Arbeitsbedingungen und Überlebenschancen der Häftlinge unterscheiden sich extrem.
Die Flossenbürger Kommandantur überstellt die Häftlinge an Firmen und SS-Einrichtungen und ist für deren Bewachung zuständig. Sie wickelt auch die monatlichen Zahlungen für die Zwangsarbeit der Häftlinge ab. Zunächst entscheidet noch der Beruf bei der Überstellung in bestimmte Außenlager. Gegen Kriegsende schiebt die SS die Gefangenen willkürlich zwischen Hauptlager und Außenlagern hin und her.
Zivile Behörden und Unternehmen sind an der Errichtung der meisten Außenlager beteiligt. Die Bevölkerung an diesen Orten wird oft zum ersten Mal mit KZ-Häftlingen konfrontiert. Häufig helfen Kriegsgefangene oder Zwangsarbeiter den Gefangenen. Vereinzelt verschaffen auch Deutsche den Häftlingen Nahrungsmittel oder leiten heimlich Briefe an deren Angehörige weiter. Harte Arbeit und schlechte Versorgung prägen den Alltag. Viele Häftlinge versuchen zu fliehen, meistens ohne Erfolg.
Das KZ Flossenbürg entwickelt sich rasch zu einem bedeutenden Wirtschaftsfaktor in der Region. Manche Firmen beliefern das Lager mit Waren, andere entleihen Häftlinge für verschiedene Arbeiten. Ab 1942 können nur noch wichtige Rüstungslieferanten die Arbeitskraft der Häftlinge ausbeuten. Anfang 1943 verlagert das Messerschmitt-Werk Regensburg einen Teil seiner Fertigung nach Flossenbürg.
Seit 1940 fordern regionale Unternehmen, Dienststellen und Privatleute bei der Kommandantur in Flossenbürg Häftlinge an. Diese führen unter Bewachung für eine begrenzte Zeit landwirtschaftliche und handwerkliche Arbeiten durch.
Ab 1942 stellt sich die deutsche Führung auf einen langen Krieg ein. Die SS gründet im Februar 1942 das Wirtschafts-Verwaltungshauptamt (WVHA). Diese zentrale Stelle soll gewährleisten, dass Häftlinge nur noch in der Rüstungsindustrie eingesetzt werden. Viele Firmen verlagern Fertigungen in Konzentrationslager. 1943 wird auch Flossenbürg zum Rüstungsstandort. Im Steinbruchgelände müssen Häftlinge Teile für das Jagdflugzeug Me 109 produzieren und montieren.
Bei Kriegsende arbeiten über 5.000 Häftlinge für Messerschmitt. Der Steinbruchbetrieb wird nahezu eingestellt.
Die SS beginnt Mitte 1944 mit der Räumung der Konzentrationslager im besetzten Europa. In Flossenbürg treffen riesige Gefangenentransporte ein.
KZ-Häftlinge sind zu diesem Zeitpunkt die letzte verfügbare Reserve für die Rüstungsindustrie. Durch die permanente Überfüllung verschlechtern sich die Verhältnisse im Lager ständig. Ende 1943 sind über 3.300 Häftlinge eingesperrt, ein Jahr später ist ihre Zahl bereits auf über 8.000 gestiegen. Am 28. Februar 1945 sind 14.824 Menschen in Flossenbürg interniert.
Brief von Hans Halboth mit Zeichnung des Lagers, 16. April 1944
Der achtjährige Hans flieht mit seiner Mutter vor den Luftangriffen auf Berlin zu Verwandten nach Floß. Bei einem Spaziergang zum Friedhof in Flossenbürg sieht er auch das Konzentrationslager. In einem Brief an seinen Vater zeichnet Hans, was viele später nicht wahrhaben wollen: Das Lager und die SS-Siedlung gehören genauso zum Ortsbild wie die Burgruine und die Granitsteine.
Infolge der Räumung der Konzentrationslager Auschwitz, Groß-Rosen und Plaszow werden erstmals seit 1942 tausende jüdische Häftlinge nach Flossenbürg verschleppt. Nach dem niedergeschlagenen Warschauer Aufstand kommen über 3.000 Polen hinzu.
In Flossenbürg werden Neuankömmlinge in die Quarantäneblocks eingewiesen. In jeder dieser Baracken hausen bis zu 1.500 Menschen. Wer einem Arbeitskommando zugeteilt wird, muss für Messerschmitt in Flossenbürg arbeiten oder in einem der vielen neu errichteten Außenlager. Arbeitsunfähige schiebt die SS in die beiden Sterbebaracken 22 und 23 ab. Krankheit, Hunger und Entkräftung führen ab Winter 1944 zu rapide steigenden Todeszahlen. In keiner Phase sterben mehr Häftlinge als im letzten Kriegsjahr.
Der Todestransport aus Leitmeritz: Durchfahrt des Todeszugs in Kralupy, heimliche Aufnahme eines unbekannten tschechischen Fotografen, 29. April 1945
Anfang April 1945 beginnt die Auflösung des KZ Flossenbürg und seiner Außenlager. Unmittelbar vor Kriegsende sterben Tausende von Häftlingen auf den Todesmärschen an Entkräftung, werden erschossen oder erschlagen. Viele versuchen zu fliehen.
Am 23. April erreicht die US-Armee das KZ Flossenbürg. Sie findet 1.500 schwerkranke Menschen vor. Die meisten Gefangenen sind zu diesem Zeitpunkt auf einem der Todesmärsche. Die letzten von ihnen werden erst am 8. Mai von alliierten Truppen befreit.
Neben Tausenden von Häftlingen aus den kurz zuvor geräumten Lagern Groß-Rosen und Buchenwald verschleppt die SS auch »Sonderhäftlinge« nach Flossenbürg. Einige von ihnen werden gezielt umgebracht, darunter auch Pfarrer Dietrich Bonhoeffer.
Bevor die SS das Lager räumt, verwischt sie die Spuren ihrer Mordtätigkeit. Ab Mitte April »evakuiert« sie über 40.000 Gefangene aus dem Hauptlager und vielen Außenlagern in Richtung Süden. Mit tagelangen chaotischen Fußmärschen und Transporten in offenen Güterwaggons versucht die SS, die Häftlinge dem Zugriff der Alliierten zu entziehen. Einige Bewacher ermorden ganze Gruppen von Gefangenen. Andere setzen sich ab. In zahllosen Ortschaften bleiben Leichen zurück. Viele Häftlinge sterben noch nach der Befreiung an Entkräftung und Krankheiten.
»Am 23. in der Früh sind sie mit einem Jeep dagewesen und einem Maschinengewehr, das hat so rausgeschaut, und vier Soldaten. Und die haben Kaugummi gekaut und haben geraucht und mir sind die Tränen heruntergeflossen ... weil ich jetzt das Gefühl gehabt habe, jetzt gehe ich heim, jetzt habe ich das überstanden und gehe heim.«
Zwei Wochen vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa erreichen amerikanische Einheiten Flossenbürg. Im Konzentrationslager finden sie nur noch 1.500 Häftlinge vor. Die meisten Gefangenen befinden sich auf Todesmärschen durch ganz Bayern.
Unmittelbar nach der Befreiung etablieren die Alliierten eine neue Ordnung. An vielen Orten werden KZ-Opfer würdevoll bestattet. Die Strafverfolgung der Täter beginnt. Polnische DPs im ehemaligen KZ Flossenbürg errichten eine erste Gedenkstätte. Während die Überlebenden der Lager das Ausmaß der von ihnen erlittenen Verluste begreifen, fordert die deutsche Bevölkerung einen Schlussstrich unter die Vergangenheit.
Begräbnis von Häftlingen im Ort Flossenbürg, U.S. Army Signal Corps, 3. Mai 1945
Eingang des polnischen DP-Lagers Flossenbürg, 1947
Einweihung der Gedenkanlage, 25. Mai 1947
Das erste Nachkriegsjahrzehnt in Deutschland ist bestimmt durch die Verdrängung der jüngeren Geschichte zu Gunsten der Integration von Personen mit NS-Vergangenheit. Ehemalige Häftlinge versuchen ihren persönlichen Neuanfang in der alten Heimat oder andernorts. Die Erinnerung an die KZ-Opfer erschöpft sich in würdig gestalteten Friedhofsanlagen. Damit ist der Weg frei zur vielfältigen Nachnutzung früherer KZ-Anlagen.
Neu gestalteter Friedhof für KZ-Opfer in Luhe, 5. November 1950
Der verdeckte Text auf dem Gedenkstein lautet: »Selig sind, die Verfolgung leiden um der Gerechtigkeit willen.«
Der Kalte Krieg dominiert nicht nur die Politik in Deutschland und der Welt – er prägt auch die deutsche Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit. Einerseits erregen große Prozesse weltweites Aufsehen. Andererseits wird vieles vergessen und verdrängt. In Flossenbürg zeigt sich dies am deutlichsten beim Bau einer Wohnsiedlung auf dem ehemaligen Lagergelände.
Abriss des ehemaligen Arrestbaus, 1964
Gedenkfeier für Wilhelm Canaris im ehemaligen Arresthof, Flossenbürg, 9. April 1965
Auch Dietrich Bonhoeffer wurde am Morgen des 9. April 1945 im Arresthof hingerichtet.
Die tagespolitische Bedeutung der NS-Zeit lässt nach. Die Ost-Politik der Bundesregierung und der Terrorismus der RAF werden zwar mit Blick auf die Vergangenheit diskutiert. Die konkrete Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus gilt jedoch nur bestimmten Gruppen wie den Männern des 20. Juli, und sie wird auch nur von wenigen Protagonisten gepflegt. Erst gegen Ende des Jahrzehnts wächst das Interesse am Holocaust.
Gedenkfeier der französischen Association de Flossenbürg im ehemaligen Außenlager Janowitz, Vrchotovy Janovice (ČSSR), 1980
Die 1980er und 1990er sind Jahre des gesellschaftlichen Aufbruchs und politischen Umbruchs. Trotz historischer Einschnitte wie dem Zusammenbruch des Sozialismus und der deutschen Einheit bleibt die NS-Vergangenheit ein aktuelles Thema. Vielerorts wächst das Interesse für die dunklen Seiten der Heimatgeschichte. In Flossenbürg vernachlässigt die Gemeinde die ungeliebten Reste des ehemaligen Lagergeländes.
Ehemaliger Eingang zum Häftlingslager, Wachturm und "Tal des Todes", 1980er Jahre
Auch 60 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs wirkt die NS-Vergangenheit nach – ob es dabei um das neue Holocaust-Mahnmal in Berlin geht, um Zahlungen an ehemalige Zwangsarbeiter oder um Diskussionen über die vermeintliche Opfer-Rolle der Deutschen. In Flossenbürg beginnt 1995 der Aufbau einer Gedenkstätte, für die sich die Überlebenden vehement einsetzen. Das „vergessene KZ“ wird jetzt erst als europäischer Erinnerungsort wahrgenommen.
Funde im ehemaligen Lagergelände, 2000–2010
Michal und Josef Salomonovic mit dem Buch der Namen, 2005
Die »Kinder von Indersdorf«: Mendel Tropper, Eric Hitter, Leslie Kleinman, Meir und Shmuel Reinstein, Dov Nasch, Avraham Leder und Martin Hecht mit ihren Fotografien von 1945
Leon Weintraub in der Dauerausstellung, 2010
Erst mit der institutionellen Gründung der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg beginnt die Umwandlung von einem Friedhof zu einem Museum, einem Gedenk- und Lernort. Im Jahr 2015 kann eine umfangreiche Neugestaltung des Außengeländes mit der Eröffnung eines Bildungszentrums mit Museumscafé abgeschlossen werden. Zwei Dauerausstellungen informieren über die Geschichte des Konzentrationslagers und seine Nachwirkungen.